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Polarlichter


Polarlichter gehören mit zu den eindrucksvollsten Schauspielen am Himmel. Ihr Auftreten hängt eng mit den Vorgängen auf der Sonne zusammen. Zu Zeiten hoher Sonnenaktivitäten - etwa alle 11 Jahre - kann man Polarlichter gelegentlich auch von Mitteleuropa aus sehen. Wie kommt es aber zu derart prächtigen Schauspielen?



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Polarlicht am 8. November 1991 um 23.50 MEZ
Aufgenommen in Kiel-Suchsdorf
© Mario Lehwald


Um diese Frage zu beantworten muß man die Wechselwirkungen zwischen den geladenen Teilchen des Sonnenwindes und der Magnetosphäre der Erde kennen. Diese Vorgänge sind im Einzelnen aber sehr komplex und auch heute noch nicht völlig verstanden. Daher kann hier auch nur auf die Grundlagen eingegangen werden.



Der Sonnenwind und die Magnetosphäre der Erde

Von der Sonne strömt ständig ein Strom elektrisch geladener Teilchen (Protonen und Elektronen) in alle Richtungen, der Sonnenwind. Seine Stärke ist mit dem 11jährigen Sonnenfleckenzyklus gekoppelt.

Das Magnetfeld der Erde, das man auch als Magnetosphäre bezeichnet, hätte normalerweise etwa die Form eines Stabmagneten. Nun strömen aber ständig die Teilchen vom Sonnenwind gegen das Erdmagnetfeld. Dadurch wird es verzerrt; auf der sonnenzugewandten Seite auf eine Dicke von etwa 10 Erdradien zusammengedrückt, und auf der sonnenabgewandten Seite zu einem etwa 1.000 Erdradien langen Schweif gestreckt. Die Magnetosphäre hat damit eine kometenähnliche Form. Die Grenze der Magnetosphäre zum Raum bezeichnet man als Magnetopause.

Die geladenen Teilchen des Sonnenwindes können normal nicht in die Magnetosphäre eindringen. Sie prallen auf der sonnenzugewandten Seite gegen das Magnetfeld der Erde und werden an der Magnetopause durch die Lorentzkraft abgelenkt.



Lorentzkraft

Die Lorentzkraft wirkt auf alle geladenen Teilchen, die sich in einem Magnetfeld senkrecht zu den Magnetfeldlinien bewegen. Die Lorentzkraft wirkt senkrecht zu den Magnetfeldlinien und zur Bewegung der Teilchen. Dabei werden positive und negativ geladene Teilchen in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt.

Bewegen sich geladene Teilchen in ein Magnetfeld hinein, so werden sie durch die Lorentzkraft auf eine Kreis- oder Schraubenbahn um die Magnetfeldlinien gezwungen, da die Lorentzkraft als Zentripetalkraft wirkt. Bewegt sich ein geladenes Teilchen genau senkrecht zu einer Magnetfeldlinie, so wird es auf eine Kreisbahn um diese gezwungen. Bewegt sich ein geladenes Teilchen in einem schrägen Winkel zu einer Magnetfeldlinie, so wird es auf eine Schraubenbahn um diese gezwungen. Dabei bleibt die Bahngeschwindigkeit der Teilchen unverändert. Die Richtung der Ablenkung wird durch die Ladung des Teilchens bestimmt.


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Ablenkung eines negativen Teilchens durch die Lorentzkraft
auf eine Kreisbahn um eine Magnetfeldlinie
© Mario Lehwald


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Ablenkung eines positiven Teilchens durch die Lorentzkraft
auf eine Kreisbahn um eine Magnetfeldlinie
© Mario Lehwald


Elektronen und Protonen werden durch die Lorentzkraft an der Magnetopause also in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt. Dadurch kommt es in einer dünnen Schicht an der Magnetopause zu einer Ladungstrennung und zu einem Stromfluss. Auch an der Magnetopause im hinten gelegenen Schweif fließen solche Ströme. Sie sorgen dafür, dass das Erdmagnetfeld nach außen hin abgeschirmt ist.



Eindringen der Sonnenwindteilchen in die Magnetosphäre

Man weiß heute, dass der Sonnenwind das Magnetfeld der solaren Korona bis zum Rand des Sonnensystems hinaustragen kann. Man bezeichnet es als interplanetares Magnetfeld. Die Magnetfeldlinien sind damit auch keine ortsfesten Gebilde, sondern wandern quasi mit dem Sonnenwind nach draußen.

Ist das Magnetfeld der Sonne südwärts ausgerichtet, können sich seine Magnetfeldlinien mit denen der Magnetosphäre der Erde verbinden. In diesem Fall können über die verbundenen Feldlinien Teilchen des Sonnenwindes in die Magnetosphäre eindringen.


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Polarlicht am 17. März 2015
Aufgenommen in Strande bei Kiel
© Mario Lehwald



Die Magnetosphäre als Generator

Die Magnetosphäre der Erde ist im Prinzip ein riesiger Generator. Kreuzen die Protonen und Elektronen vom Sonnenwind die verschmolzenen Feldlinien an der Magnetopause, werden sie durch die Lorentzkraft in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt. Die positiven Protonen werden zur Morgenseite (Sonnenaufgangsseite), und die negativen Elektronen zur Abendseite (Sonnenuntergangsseite) abgelenkt. Es entsteht ein positiver Bereich auf der Morgenseite und ein negativer Bereich auf der Abendseite und damit ein elektrisches Feld quer durch den Magnetosphärenschweif. Diese Ladung wird zum Teil wieder durch Ströme abgebaut, die quer durch den Magnetosphärenschweif fließen.

Es bilden sich aber auch elektrische Ströme entlang der magnetischen Feldlinien, die sogenannten feldparallelen Ströme. Ladungsträger sind wegen ihrer größeren Beweglichkeit vor allem Elektronen. Da die Magnetfeldlinien in einem ringförmigen Bereich um den Pol zusammenlaufen, können die Elektronen dort in die Ionosphäre eintreten. Dieser Bereich fällt zusammen mit dem sogenannten Polarlichtoval - ein leuchtendes Oval um die Magnetpole der Erde, in dem die Polarlichter auftreten.


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Ströme und Ladungen in der Magnetosphäre
(Blick von oben)
© Mario Lehwald


Die Elektronen bewegen sich dabei entlang der Magnetfeldlinien auf spiralförmigen Bahnen. Sie treten auf der Abendseite im inneren Bereich des Polarlichtovals in die Ionosphäre ein und treten auf der Morgenseite am inneren Rand des Polarlichtovals wieder heraus. Damit ist auch im Bereich des Polarlichtovals eine Ladungstrennung mit einem elektrischen Feld vorhanden: Auf der Abendseite ist es negativ und auf der Morgenseite positiv geladen.

Für das Leuchten des Polarlichtes sind wegen der höheren Energie die Elektronen verantwortlich. Diese fallen wie wir eben gesehen haben nur auf der Abendseite des Polarlichtovals ein. Trotzdem leuchtet das Polarlichtoval auch auf der Morgenseite. Wie ist das zu erklären?

Im Bereich des Polarlichtovals fallen Elektronen auf der Abendseite in die Ionosphäre ein und ionisieren dabei Luftmoleküle. Dadurch erhöht sich die Leitfähigkeit im Polarlichtoval; außerhalb des Ovals nimmt die Leitfähigkeit aber wieder stark ab. Dadurch kann ein Strom entgegengesetzt quer durch das Polarlichtoval und von dort über die Magnetfeldlinien wieder zurückfließen.

Im Polarlichtoval fließen also zwei Ströme: Die auf der Abendseite einfließenden und der Morgenseite ausfließenden Elektronen bilden den Primärstrom (blaue Linien). Dieser Stromkreis wird geschlossen über die sogenannten Pederson-Ströme (orange Linien) und die Sekundärströme (rote Linien). Angegeben ist in der Grafik die technische Stromrichtung. Die physikalische Stromrichtung, also die Fließrichtung der Elektronen, ist genau andersherum.


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Ströme im Polarlichtoval
© Mario Lehwald


Durch die entgegengesetzt fließenden Sekundärströme fallen auch auf der Morgenseite des Polarlichtovals Elektronen ein, so dass es auch hier zum Polarlicht kommt.

Die Pederson-Ströme erzeugen im Polarlichtoval ein elektrisches Feld, das dem der feldparallelen Ströme entgegengesetzt ist. Aber es ist genau wie das Feld der feldparallelen Ströme senkrecht zu den Magnetfeldlinien der Erde gerichtet, die in dieser Grafik von vorne kommend durch die Grafik hindurchgehen würden. In einer solchen Umgebung wirkt auf sich bewegende geladene Teilchen zusätzlich der Hall-Effekt. Dieser setzt die Teilchen senkrecht zu den Magnetfeldlinien in Bewegung, aber bei einer solchen Bewegung wirkt wieder die Lorentzkraft und lenkt die Teilchen in eine Richtung senkrecht zu den Magnetfeldlinien und zum elektrischen Feld ab. In diesem Fall werden Elektronen und Protonen in die gleiche Richtung abgelenkt, wodurch es kaum eine Ladungstrennung gibt. Die positiven Protonen wie auch die negativen Elektronen bewegen sich entlang der Polarlichtovals auf der Abendseite nach Osten und auf der Morgenseite nach Westen. Man spricht hier auch von der Hall-Bewegung.


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Polarlichtoval in 300 km Höhe
© Mario Lehwald


Die eben beschriebenen Vorgänge im Polarlichtoval gelten für Höhen um 300 Kilometer. In etwa 100 Kilometer Höhe wird die Luftdichte in der Ionosphäre so hoch, dass die positiven Protonen oder Ionen sehr oft mit Atomen der Luft kollidieren. Dadurch folgen sie nicht mehr der Hall-Bewegung, sondern bewegen sich mehr in Richtung des elektrischen Feldes der Pedersen-Ströme. Die Elektronen dagegen folgen weiterhin der Hall-Bewegung, auf der Abendseite nach Osten und auf der Morgenseite nach Westen. Man spricht hier auch vom polarem Elektrojet.


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Polarlichtoval in 100 km Höhe
© Mario Lehwald



Die Entstehung des Leuchtens

Dringen die geladenen Teilchen des Sonnenwindes in die oberen Regionen der Erdatmosphäre, der Ionosphäre ein, kollidieren sie mit den Luftmolekülen. Dabei kann es zu drei Vorgängen kommen:

  • Luftmoleküle brechen in angeregte Atome auseinander
  • Luftatome werden durch Stöße mit Elektronen angeregt
  • Luftatome werden durch Stöße mit Elektronen ionisiert

Durch Stöße angeregte Atome werden in einen energetisch höheren Zustand versetzt. Geht ein solches Atom nach einiger Zeit in den Grundzustand über, wird Energie in Form von Licht einer ganz bestimmten Wellenlänge abgegeben.

Bei der Ionisation wird durch ein Stoß aus einem Atom ein Elektron herausgeschlagen. Wenn sich ein ionisiertes Atom wieder mit einem Elektronen verbindet (Rekombination), wird die bei der Ionisation erfolgte Energiezufuhr ebenfalls in Form von Licht einer bestimmten Wellenlänge abgegeben.

Man spricht auch von Emissionslinien, da sich das ausgesandte Licht im Spektrum in Form einer schmalen Linie zeigt. Angeregte Sauerstoffatome in großen Höhen (um 200 Kilometer) leuchten Rot, angeregte Sauerstoffatome in geringeren Höhen (um 100 Kilometer) leuchten grün und angeregte Stickstoffatome (unter 100 Kilometer) leuchten blau und violett. Für die Anregung von Stickstoff sind allerdings hohe Energien notwendig.


Farbe Wellenlänge Element Höhe
Rot 630 nm Angeregter Sauerstoff 200 km
Grün 557 nm Angeregter Sauerstoff 100 km
Violett 428 nm Angeregter Stickstoff <100 km

Ein angeregtes Atom strahlt aber nur dann seine Energie in Form von Licht ab, wenn es nicht zuvor durch weitere Kollisionen wieder abgeregt wird. Daher treten diese Leuchterscheinungen nur in den hohen Regionen der Erdatmosphäre auf, wo die Gase extrem dünn sind. In den tieferen Regionen der Erdatmosphäre nimmt die Dichte der Gase deutlich zu und die Kollisionen werden viel zu häufig. Man spricht hier auch von Verbotenen Linien oder Übergängen, weil sie unter normalen Bedingungen wie im Labor nicht auftreten. So befindet sich über den Bereich der magnetischen Pole der Erde ein geschlossenes ringförmiges Oval, in dem Polarlichter auftreten, das schon erwähnte Polarlichtoval.


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Polarlicht am 11. April 2001
Aufgenommen in Strande bei Kiel
© Mario Lehwald




Magnetsturm

Zu Zeiten hoher Sonnenaktivität weht der Sonnenwind erheblich stärker. Kommt es auf der Sonne zu einem Koronalen Masseauswurf (CME), bilden die ausgesandten Protonen und Elektronen eine breite Schockwellenfront. Findet der Koronale Masseauswurf nahe der Sonnenscheibenmitte statt, ist diese Schockwellenfront genau auf die Erde gerichtet und es dauert etwa zwischen 24 und 36 Stunden, bis die Teilchen die Erde erreichen. Treffen die geladenen Teilchen auf die Magnetosphäre der Erde, schwächen sie ihr Magnetfeld und es kommt zu einem magnetischen Sturm. Dann dehnt sich das Polarlichtoval von den Polen in niedrigere Breiten aus und Polarlichter können auch in Mitteleuropa oder noch weiter südlich gesehen werden. Die Leistung des magnetosphärischen Generators kann in diesem Fall 10 Millionen Megawatt oder mehr erreichen.

Findet ein Koronaler Masseauswurf dagegen nahe des Sonnenrandes statt, läuft die dazugehörige Schockwellenfront senkrecht zur Verbindungslinie Sonne - Erde und würde an der Magnetopause größtenteils wieder reflektiert werden. In diesem Fall würde auch der stärkste Koronale Masseauswurf kaum nennenswerte Polarlichter auslösen.

Magnetstürme können zu Zeiten hoher Sonnenaktivität mehrmals in einem Monat auftreten und betreffen die gesamte Erde. Sie können zu Schäden an Satelliten und Freileitungen führen, wenn in diesen hohe Spannungen induziert werden. Im Jahr 1989 verursachte ein sehr starker Magnetsturm in Quebec (Kanada) eine Überlastung der Freileitungen mit einem 9-stündigen Stromausfall. Der stärkste je registrierte Magnetsturm war der Carrington Flare von 1859.



Auroraler Substurm

Ein Substurm oder Teilsturm betrifft im Gegensatz zu einem Magnetsturm nur die Polargebiete. Substürme dauern typischerweise 1 bis 3 Stunden und können zu Zeiten hoher Sonnenaktivität mehrmals pro Tag auftreten. Besonders aber treten sie oft während eines Magnetsturms auf.

Am Anfang eines Substurmes beginnt das Polarlichtoval auf der Nachtseite deutlich heller aufzuleuchten. Diese Aufhellung breitet sich nach Ost und West aus und bewegt sich langsam in Richtung Pol. Der helle Teil des Polarlichtovals bricht dann langsam in verschiedene Strukturen auseinander. Am Ende geht die Aktivität deutlich zurück.



Formen von Polarlichtern

Die auftretenden Formen von Polarlichtern werden nach der Valance-Jones Classification eingeteilt:


Abk. englisch deutsch
HA Homogeneous Arc Gleichmäßiger Bogen
HB Homogeneous Band Gleichmäßiges Band
RA Rays Arc Strahlenförmiger Bogen
RB Rays Band Strahlenförmiges Band
DS Diffuse Surface Diffuse Fläche
PS Pulsating Surface Pulsierende Fläche
PA Pulsating Arc Pulsierende Bögen
C Corona Korona (ringförmige Strahlen)
F Flaming In den Zenit gerichtete, pulsierende Strahlen

Da das rote Leuchten immer in größeren Höhen auftritt als das grüne, werden in Mitteleuropa oft die roten Polarlichter gesehen. Nicht selten sind in der Vergangenheit Feuerwehren ausgerückt, um den vermuteten Großbrand zu löschen.



Hinweise zur Fotografie von Polarlichtern

Auch bei Polarlichtern gelingen fotografische Aufnahmen schon mit relativ einfachen Mitteln. Was man braucht ist auf jeden Fall eine Spiegelreflexkamera mit einer Verschlußzeiteinstellung "B", die zusammen mit einen Drahtauslöser auf ein Fotostativ montiert ist. Das werden heute in der Regel digitale Kameras sein, aber auch mit den alten analogen Spiegelreflexkameras gelingt das gut. Bei letzteren eignen sich vor allem Farbfilme mit einer Lichtempfindlichkeit von 200 oder 400 ASA. Man kann Negativ- oder Diafilme verwenden. Farbdiafilme haben aber einen größeren Kontrastumfang als Farbnegativfilme.

Die Belichtungszeiten sind recht unterschiedlich und hängen stark von der Helligkeit des Polarlichtes ab. Bei mittlerer Helligkeit sollte man bei einem 200 oder 400 Asa Film und Blende 2,8 Belichtungszeiten von 20 bis 40 Sekunden probieren. Auf jeden Fall sollte man immer mehrere Aufnahmen mit verschiedenen Belichtungszeiten machen! Bei sehr schwachen Polarlichtern können es auch 60 Sekunden Belichtungszeit sein. Bei sehr hellen kommt man dagegen mit 10 bis 20 Sekunden aus.

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