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RCB-Sterne


Im Mai 2011 war ich an der Sternwarte Neumünster, wo ich einen Vortrag von Bernd Schatzmann über die "Geschwister der Sonne" hörte. Dort wurde u. a. auch der Stern R in der nördlichen Krone erwähnt, der in unregelmäßigen Abständen für eine gewisse Zeit erheblich schwächer wird. Wie Bernd Schatzmann sagte "einfach von Zeit zu Zeit mit einem Fernglas hinschauen, ob der Stern da ist oder nicht".

Im Februar 2014 kam mir diese Sache immer wieder in den Sinn, und schließlich sah ich in Skymap nach, wo sich dieser Stern genau befindet. Am nächsten klaren Abend nahm ich das Fernglas um diesen Stern selbst aufzusuchen. Einen 5,8 mag hellen Stern sollte man sofort in einem 7x50 Feldstecher sehen können, aber ich fand ihn nicht....

Die Sache wurde spannend. Kann es sein, dass dieser Stern vielleicht gerade nicht sichtbar ist, wie Bernd es in seinem Vortrag erwähnt hatte? Ich wollte die Sache überprüfen, und zwar am 30,5 ACF der Sternwarte Kronshagen. Weil der Himmel oft bedeckt war, ergab sich die nächste Möglichkeit erst im März 2014. Ich hatte mir vorher seine Karte mit Skymap ausgedruckt, die in etwa den Anblick im Okular zeigte. Anhand einiger anderer schwacher Sterne konnte die Stelle als richtig identifiziert werden, aber selbst mit dem doch recht großen Teleskop konnten wir keinen "R-Stern", wie wir ihn nannten, erkennen.

Meine Vermutung erwies sich als richtig, aber wie hell war dieser Stern derzeit? Ich wollte das genauer wissen, recherchierte im Internet und wurde schnell fündig. Neben einigen Berichten über den "verschwundenen Stern" sah ich auf die Seite der American Association of Variable Star Observers (AAVSO) und ließ eine Lichtkurve dieses Sterns plotten. Dort sah man, dass R CrB unter 14 Magnituden lag! Für unseren lichtverschmutzten Himmel am Stadtrand und leichten Dunst war der Stern selbst für das Teleskop mit 12 Zoll Öffnung schon zu schwach.


R CrB am Himmel

Das kleine Sternbild der nördlichen Krone befinden sich am Himmel links vom Sternbild Bootes. Sieben Sterne bilden einen Halbkreis. Der Stern R CrB befindet sich innerhalb dieses Halbkreises und bildet mit den beiden Sternen Delta und Epsilon CrB ein Dreieck. Normalerweise kann man diesen Stern mühelos in einem Feldstecher sehen, auch in der Stadt.


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Das Sternbild Nördliche Krone
© Karte erstellt mit Skymap


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Das Sternbild Nördliche Krone
© Karte erstellt mit Skymap


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Der Kreis hat einen Durchmesser von 7 Grad (Anblick im 7x50 Feldstecher)
© Karte erstellt mit Skymap


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Helligkeiten einiger Sterne zum Vergleich im Feldstecher
© Karte erstellt mit Skymap


Historisches

Schon Edward Pigott bemerkte im Jahr 1795 die Veränderlichkeit von R CrB. Kurz vorher war der Stern scheinbar am Himmel verschwunden, während er später wieder auftauchte.

Kurz nach 1900 wurde im Spektrum eine starke Unterhäufigkeit von Wasserstoff bemerkt (Ludendorff 1906 und Cannon 1912). Berman führte in den 30er Jahren genauere spektroskopische Untersuchungen bei R CrB durch, die eine im Vergleich zur Sonne sehr unterschiedliche chemische Zusammensetzung zeigte. Dieser Stern ist relativ arm an Wasserstoff, besitzt aber eine kohlenstoffreiche Atmosphäre.

Ebenfalls in den 1930er Jahren schlugen Loreta und O' Keefe ein Modell vor, in dem die tiefen Minima in der Helligkeit von R CrB durch Staubwolken verursacht wurden, die hauptsächlich aus Kohlenstoff kondensieren. Dieses Modell ist bis heute anerkannt, aber es gibt noch viele Ungleichheiten zwischen Beobachtungsdaten und Modellrechnungen.


RCB-Sterne

Der Stern R CrB ist der Prototyp einer Klasse von eruptiv veränderlichen Sternen, die man als R Coronae-Borealis-Sterne oder kurz RCB-Sterne bezeichnet. Es handelt sich um gelbe Überriesen der Spektralklassen F und G, deren Oberflächentemperatur zwischen 5.000 und 7.000 Kelvin liegt.

RCB-Sterne scheinen recht selten zu sein. Nach den Ergebnissen eines Suchprogramms, die im Jahr 2012 veröffentlicht wurden, sind 76 RCB-Sterne in unserer Galaxis bekannt, und 22 in den Magellanschen Wolken. Die meisten davon sind im Maximallicht heller als 13. Größenklasse. Mehr RCB-Sterne wird man in der Zukunft vermutlich mit dem Satelliten Gaia entdecken, der bis zur 20. Größenklasse heruntergeht.

Was weiterhin auffällt ist, dass fast alle RCB-Sterne Einzelsterne sind. Es ist nur ein RCB-Stern bekannt (DY Centauri) der sich in einem Doppelsternsystem befindet. Daher sind RCB-Sterne entweder sehr selten, oder sie stellen eine sehr kurze Lebensphase eines gewissen Sterntyps dar.


Verteilung

Iben & Tutukov (1985) haben vermutet, dass es sich bei den RCB-Sternen um alte Sterne der Scheibenpopulation handelt. Cottrell & Lawson (1998) berichteten dagegen, dass die Geschwindigkeitsstreuungen der RCB-Sterne ähnlich der der Kohlenstoffsterne und Extremen Heliumsterne (EHe) sind. Die meisten RCB-Sterne sind zum galaktischen Zentrum hin konzentriert und befinden sich nach Tisserand et al. (2008) in der sogenannten dünnen Scheibe unserer Milchstraße.


Die Lichtkurve

Alle RCB-Sterne zeigen in unregelmäßigen Abständen starke Helligkeitseinbrüche, die bis zu 8 mag betragen können. Damit sind diese Schwankungen schon leicht mit einem Feldstecher zu sehen, vorausgesetzt der Stern ist im Normallicht so hell, dass er auch mit einem Feldstecher gesehen werden kann, was bei R CrB z. B. der Fall ist.

Dabei sind der Zeitpunkt eines Minimum, wie seine Länge als auch die Tiefe des Helligkeitsabfalls nicht vorhersagbar. Der Helligkeitsabfall ist meist recht steil; dabei kann die Helligkeit um 3 bis 8 mag innerhalb von 50 Tagen abfallen. Der später folgende Helligkeitsanstieg kann von weiteren Helligkeitseinbrüchen überlagert sein, die etwa einen Monat andauern und oft so steil sind wie der erste Helligkeitsabfall zu Beginn des Minimum. Anschließend kann es mehrere Monate oder sogar Jahre dauern, bis der Stern wieder seine Maximalhelligkeit erreicht hat. Die mittlere Zeit zwischen zwei Minima liegt bei etwa 1.100 Tagen.


Spektrum im Maximallicht

Die Spektren von RCB-Sternen im Maximallicht sind typisch für die von Überriesen der Spektralklassen F und G, allerdings mit einigen Unterschieden. Die Balmerlinien sind sehr schwach oder gar nicht vorhanden. Dagegen sind viele Linien von Kohlenstoff vorhanden.

Bei RCB-Sternen ist eine starke Abwesenheit von Wasserstoff und Lithium auffällig sowie eine Überhäufigkeit von Kohlenstoff. Wasserstoff ist etwa 100.000 mal geringer und Kohlenstoff etwa 10 mal häufiger als bei der Sonne vorhanden. 14 von 18 untersuchten RCB-Sternen hatten eine ähnliche Zusammensetzung.

Einige RCB-Sterne weichen allerdings von diesem Schema ab. V854 Centauri zeigt starke Balmer-Linien im Spektrum, womit er deutlich mehr Wasserstoff enthält. Auch der heiße RCB-Stern DY Centauri ist reich an Wasserstoff.


Spektrum im Minimum

Vor und am Anfang der Minima von RCB-Sternen kann man im Spektrum Absorptionslinien mit einer Blauverschiebung mit Geschwindigkeiten von -400 km/s erkennen, die auf einem Masseausstoß hindeuten, was die Theorie der Rußwolken als Ursache der Helligkeitseinbrüche bekräftigt.

Zu Beginn eines Minimas treten schmale blauverschobene Emissionslinien ionisierter und neutraler Metalle mit Geschwindigkeiten um 10 km/s auf, die nach etwa 10 bis 30 Tagen wieder verblassen. Man bezeichnet diese Linien mit E1.

Nachdem die schmalen Emissionslinien verblasst sind erscheinen breite Emissionslinien mit Geschwindigkeiten von 100 bis 200 km/s. Hier dominieren besonders die Linien Ca II H und K, Na I D und Helium I. Man bezeichnet diese als BL.

Einige der schmalen Emissionslinien bleiben länger sichtbar (zwischen 50 bis 150 Tagen). Dominant sind hier die Linien Sc II und Ti II. Man bezeichnet diese als E2.

Das Auftreten und Verblassen der Emissionslinien spiegelt eine zeitliche Reihenfolge wieder und deutet darauf hin, dass ihr Entstehungsort vom Stern umso weiter weg liegt, je länger sie im Spektrum sichtbar sind.

Die Beobachtung der blauverschobenen Helium I Absorptionslinie (10.830 Angström) am Ende eines Minimas bei R CrB deutet auf einen Masseverlust mit etwa -250 km/s hin. Vergleichbare Strukturen zeigen die Magnesium-Linien bei RY Sagittari und R CrB mit Geschwindigkeiten von -100 bis -200 km/s.

Bei allen RCB-Sternen zeigt sich ein Infrarotexzess (Überschuss an Infrarotstrahlung), der aufgrund einer ausgedehnten Staubhülle um den Stern hervorgerufen wird.


Emissionsregionen

Aus dem Verhalten der Emissionslinien während der Minima kann man auf drei Emissionsregionen schließen, die den Stern umgeben: El, E2 und BL. Der El-Emissionsbereich hat den kleinsten Radius, gefolgt vom E2- und dem BL-Emissionsbereich.


Veränderungen im Farbindex

Am Anfang eines Minimum fällt die Helligkeit zunächst steil ab bei gleichbleibenden Farbindex. Nachdem die Helligkeit etwas abgefallen ist, verschiebt sich der Farbindex zum Roten hin (wird also größer). Kurz vor dem Erreichen der Minimalhelligkeit verschiebt sich der Farbindex zum Blauen. Beim nachfolgendem Helligkeitsanstieg verschiebt sich der Farbindex abermals zum Roten und später wieder zum Blauen.


Beobachtungsdaten und Eigenschaften

Aus den Beobachtungsdaten ergeben sich folgende Eigenschaften von RCB-Sternen:

  • Die meisten RCB-Sterne sind Überriesen der Spektralklassen F oder G mit Oberflächentemperaturen zwischen 5.000 und 7.000 Kelvin
  • RCB-Sterne sind arm an Wasserstoff
  • RCB-Sterne sind reich an Kohlenstoff und Stickstoff
  • RCB-Sterne sind fast immer Einzelsterne, also keine Partner in Doppelsternsystemen
  • Helligkeitsabfälle finden in unregelmäßigen Abständen statt
  • Alle RCB-Sterne zeigen kleine halbregelmäßige Helligkeitsänderungen mit Amplituden zwischen Zehntel-Magnituden und Perioden zwischen 40 und 100 Tagen
  • Die Helligkeit kann um 3 bis 6 mag innerhalb von 50 Tagen abfallen
  • Vor und während eines Helligkeitsabfalls treten blauverschobene Absorptionslinien mit Geschwindigkeiten bis 400 km/s im Hα und Na auf
  • Während eines Helligkeitsabfalls treten Emissionslinien auf, die nach einigen Wochen wieder verblassen
  • Im Minimum nimmt der Stern eine rötliche Färbung an
  • Der Helligkeitsanstieg kann von weiteren Einbrüchen überlagert sein
  • Alle RCB-Sterne zeigen einen Infrarotexzess (Überschuss an Infrarotstrahlung)

Ursache der Helligkeitseinbrüche

Schon in den 30er Jahren wurde vermutet, dass die Ursache der starken Helligkeitseinbrüche vermutlich in dem zeitweiligen Ausstoß von Materie liegt, die in einiger Entfernung vom Stern zu Staub kondensiert. Diese Wolken verdecken aber nicht den gesamten Stern, sondern nur einen mehr oder weniger großen Teil. Liegt eine solche Abschattung auf der Sichtlinie zur Erde, wird die Helligkeit des Sterns stark gedämpft. In seinem Minimum nimmt der Stern eine deutlich rötliche Färbung an, was auf eine Schwächung des Lichtes durch Staub hindeutet (Extinktion). Im weiteren Verlauf werden diese Staubwolken durch den Strahlungsdruck des Sterns langsam in den interstellaren Raum hinausgetrieben, wobei die Schwächung des Sternenlichtes langsam wieder abnimmt.


Pulsation

Im Normallicht zeigen alle RCB-Sterne halbregelmäßige Helligkeitsänderungen mit einer Amplitude von einigen Zehntel Magnituden und einer Dauer zwischen 40 und 100 Tagen. Im Infrarotbereich kann dieser Lichtwechsel auch während eines Minimum beobachtet werden. Bei zwei RCB-Sternen hat man eine Korrelation zwischen der Pulsphase und dem Beginn der Minima gefunden. Eventuell kann die Pulsation für den Ausstoß der Materie verantwortlich sein, welche die Staubwolken bildet.


Modelle

Bereits in den 30er Jahren wurde ein Modell zur Erklärung der tiefen Helligkeitseinbrüche von R CrB entwickelt (E. Loreta 1934 und John A. O'Keefe 1939). In diesem Modell wird Masse vom RCB-Stern abgestoßen und bewegt sich vom Stern weg. In einer Entfernung von etwa 20 Sternradien vom Stern erreicht die abgestoßene Materie mit etwa 1500 Kelvin die Kondensationstemperatur von Kohlenstoff und kondensiert zu Staub. Die entstandene Staubwolke ist groß genug, um von der Erde aus gesehen die Photosphäre des Sterns komplett zu verdecken, bildet aber keine komplette Hülle um den Stern. Dieser Staub wird vom Strahlungsdruck des Sterns langsam weiter in den Raum hinausgetrieben und verteilt, womit die Sicht auf die Photosphäre des Sterns allmählich wieder besser wird. Jeder erneute Helligkeitsabfall beim Anstieg der Helligkeit wird durch neue Staubbildung verursacht.


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Staub kondensiert im Abstand von 20 Sternradien
© Nachzeichnung M. Lehwald


Bei diesem Modell gibt es Probleme, die im Einklang mit den Beobachtungen stehen. Die Lichtkurve sowie die Zeitpunkte des Auftretens und Verschwinden der Emissionslinien während eines Minima geben Informationen über die Größe und Geschwindigkeit der sich ausbreitenden Staubwolke. Demnach bildet sich die Staubwolke bereits innerhalb der E1-Emissionsregion und driftet von dort in den Raum hinaus. Staubbildung in einem Abstand von 20 Radien vom Stern kann z. B. nicht die schnellen Anstiege in der Lichtkurve erklären.

Daher wurde im Jahr 1963 von Payne-Gaposchkin vorgeschlagen, dass die Materie schon nahe der Photosphäre des Sterns im Bereich von 2 Sternradien zu Staub kondensiert, der durch den Strahlungsdruck vom Stern weggetrieben wird. Berechnungen zeigen, dass die Staubwolke 50 Tage nach dem Rückgang der Helligkeit zu Beginn eines Minimum etwa 10 Sternradien vom Stern entfernt ist. Dieses Modell könnte auch die schnellen Anstiege in der Lichtkurve am Ende eines Minimum erklären.


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Staub kondensiert im Abstand von 2 Sternradien
© Nachzeichnung M. Lehwald


Allerdings ist bei einem Stern im thermodynamischen Gleichgewicht die Temperatur in einem Abstand von 2 Radien viel zu hoch für eine Kondensation von Kohlenstoffstaub. Andererseits sind die Verhältnisse nahe bei einem RCB-Stern weit weg vom thermodynamischen Gleichgewicht, so dass die Kondensation von Kohlenstoffstaub möglich sein könnte.


Direkte Fotografie von Dunstwolken um R CrB

Im Juli 2007 begann die Helligkeit von R CrB langsam abzufallen. Im Jahr 2009 war die scheinbare Helligkeit auf 15 mag gefallen, was etwa um den Faktor 4000 schwächer war! Im Jahr 2010 wurde eine Beobachtungsreihe mit dem Polarimeter ExPo am 4,2 Meter William Herschel Telescope auf La Palma gestartet. Das Prinzip beruht auf der Tatsache das Licht, welches an zirkumstellaren Staub reflektiert wird, eine lineare Polarisation bekommt. Dieses Licht kann leicht von dem unpolarisierten Licht unterschieden werden, das direkt vom Stern kommt.

Es wurden 4000 Bilder mit Belichtungszeiten von je 0,028 Sekunden im Wellenlängenbereich von 500 bis 900 Nanometern gemacht, also im sichtbaren Licht. Das Endbild im linear polarisiertem Licht zeigt deutlich eine ausgedehnte Staubwolke südöstlich von R CrB. Diese bekam die Bezeichnung "Cloud S". Ein Foto des Hubble-Weltraumteleskops vom April 2009 zeigt ebenfalls diese Staubwolke.

Die Beobachtungen mit ExPo und dem Hubble-Weltraumteleskop zeigen, dass es zwei Dunstwolken um R CrB gibt. Die zweite Wolke hat die Bezeichnung "Cloud O" bekommen und befindet sich auf der Sichtlinie zur Erde. Sie ist die Ursache für die derzeitige Helligkeitsverringerung von R CrB. Die Theorie, dass die Minima in der Helligkeit von R CrB durch ausgestoßene Rußwolken hervorgerufen werden, wurde in dieser wissenschaftlichen Arbeit bestätigt!


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Verteilung der Staubwolken um R CrB
© M. Lehwald, Zeichnung nach einer Vorlage in dem genannten Paper


Staubmodelle

Der Staub ist nach jetzigem Wissen in drei Formen um RCB-Sterne verteilt:

  • 1. In einem diffusen Halo
  • 2. In Wolken mit einer Lebensdauer von bis zu einigen Jahrzehnten
  • 3. In kleinen Wolkenfetzen

Wobei der Staub im diffusem Halo kühlere Temperaturen aufweist als der in den Wolken. Die weiter oben erwähnte und beobachtete Verschiebung des Farbindex während eines Minima gibt Auskunft über Größe der Partikel in der Staubwolke. Nach Staubmodellen von Gail und Sedlmayr (1987) bilden sich größere Partikel in der Nähe des Sterns. Wenn die Wolke später auseinandertreibt, wird ihre Dichte geringer und übrig gebliebener Kohlenstoff bildet kleinere Partikel.

Nach den Messungen in der oben genannten Publikation von 2012 gibt es in der Umgebung von R CrB zwei Populationen von Partikeln:

  • Kleine Partikel (5 Nanometer) im Bereich geringer Staubdichten
  • Größere Partikel (0,14 Mikrometer) in den Staubwolken

Die Bilder von ExPo und dem Hubble Weltraumteleskop zeigen massive Staubwolken die aus sehr großen Partikeln bestehen in der Umgebung von R Crb. Daher ist das momentane Minimum bemerkenswert.

Unter der Annahme einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von etwa 200 km/s kann man abschätzen, dass die Wolke mit der Bezeichnung "Cloud S" vor etwa 50 Jahren ausgestoßen wurde. Das bemerkenswerte ist dabei, dass diese Wolke immer noch so gut sichtbar ist. Wenn man diese Berechnung auf die Wolke "Cloud O" anwendet, die für das momentane Minimum von R CrB verantwortlich ist, und unter der Annahme, dass sie sich auch weiterhin entlang der Sichtlinie ausbreitet, könnte das bedeuten das R CrB für mehrere Jahrzehnte verdeckt bleiben wird.


Die weitere Entwicklung der Helligkeit von R CrB

Im Mai 2014 stieg die Helligkeit von R CrB langsam wieder an und erreichte im Februar 2015 ein Maximum von knapp 7 mag. Anschließend fiel im Mai und Juni 2015 die Helligkeit erneut rapide ab auf knapp 14 mag. Im Mai 2016 stieg die Helligkeit zunächst langsam, in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 aber stark an, wobei es im Oktober und November 2019 nochmals zu einem erneuten, kurzen und tiefen Einbruch auf etwa 9 mag kam. Seitdem steigt die Helligkeit von R CrB an.


Entstehung von RCB-Sternen

RCB-Sterne haben wie schon erwähnt eine ungewöhnliche chemische Zusammensetzung. Sie sind arm an Wasserstoff (um den Faktor 100 geringer als bei üblichen Sternen) und ihre äußeren Bereiche bestehen zu etwa 98 Prozent aus Helium. Weiterhin sind sie im Gegensatz zur Sonne reich an Kohlenstoff, Natrium, Schwefel, Silizium, Schwefel, Stickstoff und Nickel. Auch die Isotopenverhältnisse vieler Elemente weichen stark von denen anderer Sternklassen ab. Auch hat man in einigen RCB-Sternen Lithium gefunden.

Da nicht sehr viele RCB-Sterne bekannt sind (etwa 100) scheinen sie sehr selten zu sein, oder es ist eine nur sehr kurze Entwicklungsphase im Leben eines bestimmten Sternstyps. Zur Entstehung von RCB-Sternen gibt es drei grundlegende Theorien:

1. Finaler Heliumblitz eines Weißen Zwerges

Bei einem Weißen Zwerg kann die Heliumreiche Schicht noch einmal zünden, womit sich der Stern wieder ausdehnt. Diese Sterne haben sich aber noch nicht zu einem RCB-Stern entwickelt.

2. Verschmelzung von zwei Weißen Zwergen aus Helium

Simulationsrechnungen haben gezeigt, dass aus der Verschmelzung von zwei Weißen Zwergen aus Helium in einem Doppelsternsystem zunächst ein heißer Unterzwerg entsteht. Bei diesen kann es zu einem Heliumbrennen in einer Schale um den Kern kommen, wodurch sich der Stern ausdehnt und sich zu einem kühlen Riesen entwickelt. Die chemische Zusammensetzung des so entstandenen Riesen entspricht den beobachteten der meisten RCB-Sterne und Extremen Heliumsternen.

3. Verschmelzung von zwei Weißen Zwergen (Helium und Kohlenstoff-Sauerstoff)

In einem Doppelsternsystem wird zweimal eine Common-Envelope-Phase (gemeinsame Hüllenphase) durchlaufen. Die beiden Endstadien der Sterne, ein Weißer Zwerg aus Helium und ein Weißer Zwerg aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehend, nähern sich immer weiter an und verschmelzen miteinander. Beide zusammen dürfen aber nicht die Chandrasekhar-Massegrenze von 1,44 Sonnenmassen überschreiten, da es ansonsten zu eine Supernova vom Typ Ia kommt.

Nach der Verschmelzung entsteht ein Riese. Die Materie des masseärmeren Weißen Zwerges dient als Heliumbrennende Schicht, während der massereichere die äußere Hülle des Riesensterns bildet. Nach den Simulationsrechnungen enthalten die so entstandenen Riesensterne größere Mengen von 18O und Flour. Da man diese beiden Elemente in einigen RCB-Sternen gefunden hat, spricht für diese Theorie. Auch kann bei dieser Verschmelzung Lithium entstehen. Da man in einigen RCB-Sternen Lithium gefunden hat, würde das für diese Theorie sprechen.


Extreme Heliumsterne (EHe)

RCB-Sterne haben viele Gemeinsamkeiten mit den Extremen Heliumsternen (EHe). Bei den Extremen Heliumsternen handelt es sich um Riesen der Spektralklassen B oder A, die einen starken Mangel an Wasserstoff in ihrer Atmosphäre zeigen. Dagegen kommen Kohlenstoff, Stickstoff und auch Sauerstoff in höheren Mengen vor. Extreme Heliumsterne haben etwa die 10.000-fache Sonnenleuchtkraft.

Die Entstehung der Extremen Heliumsterne ist auch heute noch nicht geklärt. In Frage kommt der sogenannte späte thermische Puls und eine Verschmelzung von zwei Weißen Zwergen. Der späte thermische Puls entsteht, wenn bei einem Roten Riesen, der bereits auf dem Wege zu einem Weißen Zwerg ist, Wasserstoff und Helium von den äußeren Schichten in den Kern gelangt und dort die Fusion noch einmal gezündet wird. Dadurch dehnt sich der Stern rasch aus.

In einem Doppelsternsystem aus zwei Weißen Zwergen können diese durch Annäherung miteinander verschmelzen. Simulationsrechnungen haben gezeigt, wenn der eine Weiße Zwerg aus Helium und der andere aus Kohlenstoff und Sauerstoff besteht, kann der letztere bei der Verschmelzung viel Helium von seinem Begleiter aufnehmen. Die Heliumfusion zündet und der Stern dehnt sich zu einem Überriesen aus. Dieser Überriese entspricht in Masse, Leuchtkraft und der chemischen Zusammensetzung den Extremen Heliumsternen.

Da bei den Extremen Heliumsternen kein Kalzium, Titan, Natrium, Mangan und Nickel gefunden wurde, kann man die Grenzmasse des Vorläufersterns auf unter 8 Sonnenmassen festlegen. Weiterhin zeigen Extreme Heliumsterne Pulsationen, die zu einer Veränderlichkeit ihrer Leuchtkraft von einigen Zehntel Magnituden im Verlauf von einigen Stunden führen.

Was bei den Extremen Heliumsternen fehlt, ist der halbregelmäßige Lichtwechsel durch Pulsationen und die unregelmäßigen tiefen Minima ihre Leuchtkraft hervorgerufen durch ausgestoßene Staubwolken. Auch ist die Temperatur der RCB-Sterne deutlich niedriger (Spektralklassen F und G).


Ausblick

Leider sind die drei Entstehungstheorien für RCB-Sterne mit den vorliegenden Beobachtungen etwas wiedersprüchlich. Es werden weitere Beobachtungen und Simulationsrechnungen notwendig sein, um diesen nicht unkomplizierten Teil der Sternentwicklung besser verstehen zu können.


Bekannte RCB-Sterne


Name Ra. 2000 De. 2000 mag (Maximum)
DY Per 02 35 05 +56 09 12 12,6
XX Cam 04 08 39 +53 21 39 8,7
SU Tau 05 49 06 +19 04 00 9,8
Z UMi 15 01 31 +83 03 00 11,0
UX Ant 10 57 09 -37 23 42 12,0
UW Cen 12 43 17 -54 31 42 9,3
Y Mus 13 05 48 -65 30 45 10,25
DY Cen 13 25 32 -54 14 48 13,2
V854 Cen 14 34 49 -39 33 19 7,0
S Aps 15 09 24 -72 03 45 9,7
R CrB 15 48 34 +28 09 25 5,8
RT Nor 16 24 20 -59 20 48 10,1
RZ Nor 16 32 36 -53 15 54 10,3
V517 Oph 17 15 20 -29 05 24 11,4
V2552 Oph 17 17 22 -20 22 36 10,9
V532 Oph 17 33 39 -21 52 15 11,8
OGLE-GC-RCB-2 17 51 19 -32 43 21 12,6
EROS2-CG-RCB-3 17 58 28 -30 51 16 14,0
V1783 Sgr 18 04 50 -32 43 12 10,7
WX CrA 18 08 52 -37 19 36 10,5
V739 Sgr 18 13 13 -30 16 16 12,9
V3795 Sgr 18 13 24 -25 46 54 11,0
VZ Sgr 18 15 08 -29 42 34 10,3
RS Tel 18 18 51 -46 32 51 9,85
GU Sgr 18 24 15 -24 15 24 10,4
NSV 11154 18 37 51 +47 23 23 11,8
V348 Sgr 18 40 19 -22 54 31 12,2
MV Sgr 18 44 32 -20 57 18 13,5
FH Sct 18 45 16 -09 25 48 12,5
V CrA 18 47 32 -38 09 31 9,7
SV Sge 19 08 12 +17 37 39 10,5
V1157 Sgr 19 10 12 -20 29 43 11,5
RY Sgr 19 16 33 -33 31 19 6,3
V482 Cyg 19 59 44 +33 58 30 12,1
ES Aql 19 33 11 -00 09 23 11,65
U Aqr 22 03 20 -16 37 33 11,2
UV Cas 23 02 13 +59 36 42 11,8


Referenzen

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