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Pulsierende Veränderliche


Pulsierende Sterne blähen sich in gewissen Abständen auf und ziehen sich wieder zusammen. Dies sind Sterne, die sich nicht mehr im Gleichgewicht befinden. Bei einem stabilen Stern (Hauptreihenstern) besteht ein Gleichgewicht zwischen der Schwerkraft, die den Stern zusammenziehen will, und dem Strahlungsdruck, der den Stern auseinandertreiben will, das sogenannte hydrostatische Gleichgewicht. Ist ein Stern kleiner als sein Gleichgewichtszustand, wird er sich etwas ausdehnen, ist ein Stern größer als sein Gleichgewichtszustand, wird er sich etwas zusammenziehen.


Kappa-Mechanismus

Bei einem pulsierenden Stern ist das hydrostatische Gleichgewicht gestört. Verantwortlich für die Pulsation eines Sterns ist der Kappa-Mechanismus. Kappa (κ) ist die sogenannte Opazität, womit die Lichtundurchlässigkeit der Materie im Stern gemeint ist. Die Materie in einem Stern, meist Wasserstoff und Helium, existiert in Form von Plasma, d. h. die meisten Atome haben aufgrund der hohen Temperaturen ihre Elektronen verloren (sie sind ionisiert) und die Elektronen bewegen sich frei. Je mehr Elektronen frei sind, desto größer wird die Opazität, da die Strahlung an den Elektronen gestreut wird. Haben alle Atome ihre Elektronen verloren, kann die Anzahl der Elektronen und damit die Opazität bei einer Erhöhung der Temperatur nicht mehr zunehmen.

Eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Kappa-Mechanismus ist, dass die Opazität mit der Temperatur zunehmen kann. Dies ist dann der Fall, wenn noch nicht alle Atome ihre Elektronen verloren haben (ionisiert sind). Es muß im äußeren Bereich des Sterns eine dickere Schicht geben, die diese Eigenschaft besitzt, also noch nicht vollständig ionisiert ist. Dieser Fall tritt ein, wenn die effektive Temperatur dieser Schicht zwischen 5.000 und 6.500 Kelvin liegt. Die Grafik unten zeigt einen Stern im Gleichgewichtszustand mit einer nicht vollständig ionisierten Heliumschicht im äußeren Bereich.


kappa_phase_0.jpg

Stern im Gleichgewichtszustand
Die Schwerkraft ist so groß wie der Strahlungsdruck
© M. Lehwald


Liegt die effektive Temperatur außerhalb des genannten Bereiches, nimmt die Opazität ab, wenn der Stern komprimiert wird und die Temperatur dadurch zunimmt. Der Kappa-Mechanismus funktioniert in diesem Fall nicht. Weiterhin muß für das Funktionieren des Kappa-Mechanismus der Energietransport im Stern überwiegend durch Strahlung und nicht durch Konvektion stattfinden. Bei der Sonne ist das z. B. nur im Kern der Fall während ihre äußeren Schichten überwiegend konvektiv sind.

Wird eine noch nicht vollständig ionisierte Materieschicht in einem Stern erhitzt, z. B. durch Kompression, wenn das Wasserstoffbrennen am Lebensende eines Sterns nachläßt, nimmt in dieser Schicht der Druck, die Temperatur und somit die Opazität zu. Durch die zunehmende Opazität kann nicht mehr soviel Strahlung nach außen gelangen wie vorher, der Strahlungsdruck nimmt daher von innen immer mehr zu.


kappa_phase_1.jpg

Der Stern wird komprimiert
Zunahme von Druck, Temperatur und Opazität in der Heliumschicht
© M. Lehwald


Schließlich ist der Strahlungsdruck innen so stark, dass er die Schwerkraft deutlich überwiegt. Der Stern beginnt sich auszudehnen.


kappa_phase_2.jpg

Der Strahlungsdruck innen überwiegt der Schwerkraft
Der Stern beginnt sich auszudehnen
© M. Lehwald


Bei der Ausdehnung kühlt sich die Materie ab, Druck und Temperatur sowie Opazität nehmen langsam ab und die im Stern gestaute Strahlung kann nach außen entweichen. In dieser Phase erreicht der Stern auch sein Maximum in der Lichtkurve.


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Ausdehnung des Sterns
Abnahme der Opazität, die innen gestaute Strahlung entweicht
© M. Lehwald


Durch die Massenträgheit erfolgt die Ausdehnung des Sterns aber über seinem Gleichgewichtszustand hinaus.


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Ausdehnung des Sterns über dem Gleichgewichtszustand
Strahlungsdruck wird geringer, die Schwerkraft überwiegt
© M. Lehwald


Damit nimmt der Strahlungsdruck innen weiter ab und schließlich überwiegt die Schwerkraft - die Materie und der Stern beginnen sich wieder zusammenzuziehen, der Zyklus beginnt von vorne.


kappa_phase_5.jpg

Komprimierung des Sterns
Druck, Temperatur und Opazität nehmen wieder zu
© M. Lehwald


Im Hertzsprung-Russell Diagramm befinden sich pulsierende Sterne im Bereich des Instabilitätsstreifens.

Die Helligkeitsänderung der pulsierenden Veränderlichen kommt hauptsächlich durch die Veränderung der Größe der abstrahlenden Oberfläche, sowie der Veränderung der Opazität zustande.

Ein Beispiel für einen pulsierenden Stern ist Mira im Sternbild Walfisch. Er hat eine Lichtwechselperiode von 331 Tagen, in welcher er seine Helligkeit um 8 Größenklassen ändert. Im Minimum ist er so schwach, dass er gar nicht mehr mit dem bloßem Auge zu sehen ist.


Schwingungsmodi

Bei dem eben beschriebenen Kappa-Effekt pulsiert eine nicht vollständig ionisierte Schicht im äußeren Bereich des Sterns. Das nennt man Fundamental Mode.


fundamental.jpg

fundamentala.jpg

Schwingung im Funamentalmodus
Eine Schicht pulsiert
© M. Lehwald


Ein Stern kann aber auch im Obertonmodus schwingen. Beim 1. Obertonmodus sind im äußeren Bereich des Sterns zwei nicht vollständig ionisierte Schichten vorhanden, wobei sich die eine ausdehnt, während die andere komprimiert wird.


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oberton_1a.jpg

Schwingung im 1. Obertonmodus
Die äußere Schicht dehnt sich aus, die darunterliegende wird komprimiert
© M. Lehwald


Beim 2. Obertonmodus sind drei nicht vollständig ionisierte Schichten vorhanden, die sich zur Nachbarschicht gegensätzlich verhalten, wie es die folgende Grafik zeigt.


oberton_2.jpg

oberton_2a.jpg

Schwingung im 2. Obertonmodus
Hier sind drei Schichten vorhanden, wobei sich die mittlere komprimiert
während die anderen beiden sich ausdehnen
© M. Lehwald



Alpha Cygni Sterne

Hauptvertreter ist der Stern Deneb im Schwan. Es handelt sich um massereiche Überriesen der Spektralklassen B und A. Ihre Helligkeitsschwankungen haben Amplituden von 0,01 bis 0,1 mag mit Lichtwechselperioden zwischen 10 und 100 Tagen. Im weiteren Verlauf explodieren diese Sterne zu einer Supernova. Der Grund für ihre Helligkeitsschwankungen ist noch nicht restlos geklärt, aber sie werden wohl durch kompliziertere Vorgänge im Innern des Sterns erzeugt.


Delta Cepheiden

Hier handelt es sich um regelmäßig pulsierende helle Riesensterne oder Überriesen mit Massen zwischen etwa 4 und 10 Sonnenmassen. Die Lichtwechselperioden liegen zwischen 1 und 130 Tagen, mitunter auch etwas mehr. Die Helligkeitsschwankungen (Amplituden) können bis 2 mag betragen. Auch die Spektralklasse schwankt zwischen F und K.

Hauptvertreter ist der Stern Delta Cephei. Es ist ein gelber Überriese mit 4,5 Sonnenmassen, der etwa 890 Lichtjahre entfernt ist. Die Periode beträgt 5,36643 Tage, wobei die Helligkeit zwischen 3,5 und 4,4 mag schwankt. Die Spektralklasse schwankt zwischen F5 und G2.

Delta Cephei wird von einem 6,3 mag hellen Begleitstern der Spektralklasse B7 umkreist. Mit einem Abstand von 40 Bogensekunden ist er schon in kleinen Teleskopen einfach zu erkennen. Besonders in größeren Teleskopen bietet dieses Paar vor allem wegen des Farbunterschiedes gelb - bläulich einen reizvollen Anblick.


delta_cephei.gif

Delta Cephei mit seinem bläulichen Begleiter im Teleskop
© M. Lehwald


Cepheiden haben die Eigenschaft, dass man aus der Dauer ihrer Lichtwechselperiode auf ihre wahre Helligkeit schließen kann. Je länger ihre Periode ist, desto heller leuchten sie. Diese sogenannte Perioden-Leuchtkraft Beziehung wurde im Jahr 1912 von Henrietta Swan Leavitt entdeckt. Sie lautet:


perioden_leuchtkraft_beziehung.gif

P ist die Periode des Cepheiden in Tagen.

Damit läßt sich die absolute Helligkeit für Delta Cephei berechnen:

M = -2,81 * log(5,36643) - 1,43

M = -2,81 * 0,7297 - 1,43

M = -2,0505 - 1,43

M = -3,48 Mag

Kennt man also die Periode eines Cepheiden, kann man mit Hilfe der Perioden-Leuchtkraft Beziehung seine wahre oder absolute Helligkeit berechnen. Mißt man die scheinbare Helligkeit dieses Cepheiden, läßt sich daraus seine Entfernung bestimmen. Daher werden diese Sterne gerne als Standardkerzen bezeichnet, da sie oft zur Entfernungsbestimmung von Galaxien benutzt werden.

Allerdings sind die Werte in der genannten Formel nicht gänzlich exakt. So findet man in der Literatur oft unterschiedliche Werte für die Formel. Um eine exakte Formel zu erhalten, müßte man die Entfernung eines Cepheiden genau kennen. Bei Entfernungen über 500 Lichtjahren sind aber die Parallaxenmessungen des bekannten Astrometriesatelliten Hipparcos immer mit einem gewissen Fehler behaftet. Viel genauere Messungen wird der 2013 gestartete Satellit Gaia liefern.

Weiterhin ist die Schwächung des Lichtes durch interstellaren Staub zwischen uns und dem Objekt meist nicht genau bekannt. Somit liefern die Entfernungsberechnungen nach der Perioden-Leuchtkraft-Beziehung heute keine exakten Werte, sondern Näherungen.

Die folgende Tabelle nennt einige bekannte Cepheiden, die am nördlichen Sternenhimmel sichtbar sind:


Stern mag Periode Spektrum Lj
Delta Cephei 3,48-4,37 5,3664 Tage F5Ib-G2Ib 887
Zeta Geminorum A 3,61-4,15 10,1521 Tage F7Ib-G3Ib 1.170
Eta Aquilae 3,48-4,39 17,1766 Tage F6Ib-G4Ib 1.200
Polaris 1,92-2,07 3,97 Tage F7Ib 430


Delta-Scuti Sterne

Hauptvertreter ist der Stern Delta Scuti im Sternbild Schild. Es handelt sich um Sterne der Spektralklassen A und F zwischen 1,5 und 2,5 Sonnenmassen, die im Hertzsprung-Russell Diagramm dort liegen, wo der Instabilitätsstreifen die Hauptreihe kreuzt. Diese Sterne befinden sich entweder noch im Bereich der Hauptreihe (Hauptreihensterne) oder beginnen sich langsam von ihr wegzubewegen (Entwicklung zu Roten Riesen). Delta-Scuti Sterne pulsieren mit Perioden zwischen 0,03 und 0,2 Tagen und Helligkeitsänderungen zwischen 0,003 und 0,1 mag.


Mira Sterne

Hauptvertreter ist der Stern Mira im Sternbild Walfisch. Es sind langperiodisch pulsierende Rote Riesen der Spektralklasse M. Sie verändern ihre Helligkeit im Bereich zwischen 2 und 11 mag und in einem Rythmus von 80 bis Tagen bis zu mehreren Jahren. Die Lichtkurve zeigt leichte Änderungen zwischen den einzelnen Zyklen.


mira1.jpg   mira2.jpg

Der Veränderliche Stern Mira im Walfisch
Rechts ist er deutlich heller als links
Ausschnitte aus dem POSS
Quelle: Digitized Sky Survey


RR-Lyrae Sterne

RR-Lyrae Sterne zeigen fast identische Lichtkurven wie die Cepheiden, haben aber kurze Lichtwechselperioden zwischen 0,2 und 1,2 Tagen und absolute Helligkeiten zwischen +0.5M und +1.0M. Hauptvertreter ist der Stern RR Lyrae.

RR-Lyrae Sterne sind pulsierende Riesensterne, die im Hertzsprung-Russell Diagramm mehrfach den Instabilitätsstreifen kreuzen. Da sie sehr oft in Kugelsternhaufen vorkommen, werden sie auch Haufenveränderliche genannt. Ihre wahre Leuchtkraft oder absolute Helligkeit hängt von der Lichtwechselperiode ab und läßt sich aus dieser errechnen. Damit lassen sich diese Sterne wie die Cepheiden zur Entfernungsbestimmung nutzen, z. B. von Kugelsternhaufen.


RV-Tauri Sterne

RV-Tauri Sterne sind pulsierende Riesenstern der Spektralklassen F und G. Die Minima sind abwechselnd tief und weniger tief ausgeprägt. Die Abstände von einem tiefen Minima bis zum nächsten liegt zwischen 30 und 150 Tagen, wobei die Helligkeitsschwankungen bis zu 4 mag betragen können. Im Minimum haben diese Sterne die Spektralklasse K oder M.


Halbregelmäßig Veränderliche

Halbregelmäßig Veränderliche sind pulsierende Riesen oder Überriesen, die einen periodischen Lichtwechsel zeigen, der zeitweilig von Unregelmäßigkeiten unterbrochen sein kann. Diese Sterne werden in vier Gruppen unterteilt:

  • SRa
    Späte Riesen mit kleinen Amplituden bis 2,5 mag und Perioden zwischen 30 und mehreren 1000 Tagen. Die Perioden sind veränderlich. Beispiel ist Z Aquarii.
  • SRb
    Späte Riesen mit wechselnder Periode. Sie können ihre Helligkeitsänderungen auf eine bestimmte Zeit auch unterbrechen.
  • SRc
    Späte Überriesen mit kleinen Amplituden unter 2,5 mag und Perioden zwischen 35 und 1200 Tagen. Beispiel ist der Granatstern Mu Cephei.
  • SRd
    Späte Überriesen der Spektralklassen F, G oder K mit Amplituden zwischen 0,1 und 4 mag und Perioden zwischen 30 und 1200 Tagen.

SR steht für "Semiregular variable star".

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